Spessart/Odenwäldchen, 29.September – 2.Oktober 2018 (Sa-Di)
Immer mal wieder kommt es vor, dass einer aus der Kerntruppe fehlt. Ungewöhnlich, dass es sich diesmal um Harald handelte, der in der Hauptstadt unabkömmlich war. Die Zielgebietsdiskussion pendelte sich auf den Spessart ein, wegen der überschaubaren Gipfelhöhe bis 500 Meter und weil wir da noch nicht waren. Schwarzwaldschluchtenweg und Vogesen stehen jetzt auf der Warteliste. Mit dem Main konnten wir ein neuen Fluß abhaken. In dieser Gegend trennt er Bayern am nördlichen Ufer und Baden-Württemberg im Süden, ebenso Spessart und Odenwald.
Treffpunkt für Gernot, Ralph, Steffen und Fongy war Collenberg an der Bahnstrecke zwischen Würzburg und Aschaffenburg. Die Routenbeschreibung schlug einen Start in Kirschfurth vor, das per Brücke mit Freudenberg verbunden ist, ein netter Ort mit Burg und Eis-Bar, Treffpunkt bei Kuchen und Krokantbecher. Kaum dass wir uns zum Wiedersehen beschnüffelt hatten, leistete Steffen die erste gute Tat und rettete eine durch Kantsteinkollision verunglückte E-Bikerin vor dem sicheren Tod in der Schildkrötenstellung. Zurück auf der anderen Flußseite gab es bei Einkehr No.2 das erste fränkische Probebier und Deftiges. Doppelt gestärkt, liefen wir bei einsetzender Dunkelheit die ersten 500 Meter der Route, vorbei an einem Kieswerk und fanden ein verstecktes Plätzchen an einem Angelteich. Über uns auf dem Hügel zeigten sich die Silhouetten von Longhorn-Rindern, der Nachhimmel war fantastisch, auch wenn der Große Wagen woanders parkte und nicht jeder alle drei Sternschnuppen sah. Hier war die Alkoholmenge genau richtig.
Am Morgen des ersten Wandertages (=Tag 2) beschien die Sonne das Gegenufer, was die gute Laune aber nicht trübte. Die Sichtung der Ausrüstung brachte zwei neue Zelte, einen verheimlichten Rucksack, eine viel zu breite Luftmatte und einen neuen Schlafsack zum Vorschein. Proviantmeister Ralph B. hatte strenge Vorgaben gemacht, wie üblich von der Schwarmintelligenz der Gruppe kreativ interpretiert. Auch bis zum Ende der Tour erzielten wir keine Einigkeit über die richtige Menge an Milch, den Geschmack von Peli-Pemmikan, ob es besser ist, das Zuviel an Alkohol zu trinken oder zu verschütten, und wessen Schokolade zuerst gegessen wird. Wie immer blieb zum Ende der Tour die Hälfte des Brotes übrig, weil uns Einkehr 4 und 5 dazwischenkamen. Fazit: 1 kg Brot reicht.
Der Südspessartsteig ist ein Rundweg von eigentlich über 60 km, wenn man sich an alle Windungen hält und auf der Waldroute nicht den Eselsweg wählt, wie wir es taten. Der Eselsweg, ein alter Handelspfad, verläuft auf dem „Grat“, bietet aber immer noch ausreichende Möglichkeiten, sich zu verlaufen und Alternativen durch zu deklinieren. Unsere Gesamtroute, mit je etwa 24 Kilometern an zwei Tagen und circa 12 (?) Kilometern am Abreisetag, ergab die Form einer unvollständigen 8. Zweimal überquerten wir bei Faulbach über eine Staumauer den Main, an Tag 3 für eine Schlaufe mit Camp im Odenwald, an Tag 4 zurück, um über den nördlichen Uferweg den Bahnhof für die Rückfahrt zu erreichen.
Doch zunächst galt es nach Abbau des Lagers am Anglersee den Einstieg zu finden. Mittlerweile erwecken wir mit unserer ergrauten Erscheinung, den Wanderrucksäcken und den ewig foppenden lautstarken Disputen bei den meisten Begegnungen mit Einheimischen eine wohlwollende, furchtlose Sympathie. Eine junge Mutter mit Kinderwagen lächelte bereits in sich hinein, während sie uns schlendernd einholte und bot dann unaufgefordert Rat an. Das reifere Alter bringt weitere Erscheinungen mit sich: Das Wandertempo ist etwas gemächlicher, jede Bank lädt zur Pause ein, jede Wiese zum Liegen, jedes Rind zum Streicheln und selbst an Pilgerstationen öffnen wir Eisenboxen und Briefkästen, um ausführlich alles in Augenschein zu nehmen. Bio-Pausen gab es allerdings schon immer viel und explosiv, ebenso wie engagierte Routendiskussionen. Erstmals half Google-Maps und überzeugte uns am späten Nachmittag einen bewaldeten Hang hinab nach Altenbuch durchzustechen (Verlaufen 1). Der obligatorische Förster warnte uns wegen des trockenen Sommers vor Feuer im Wald selbst an Feuerstellen, deutete aber eine Möglichkeit am Sportplatz hinter Altenbuch an. Das Zelten auf Sportplätzen kennen wir mittlerweile ja recht gut, dieser war jedoch gegen Wildschweine eingezäunt mit nur schlechter Grillmöglichkeit. Als Retter in der Not tauchte dann der Platzwart auf, ein Vertreter einer Gattung, die wir noch gar nicht hatten. Der gute Mann verschaffte uns Zugang zu Wasser und wir kauften ihm Bier zum Freundschaftspreis ab. Leider oder zum Glück war unser Proviantmeister zu erschöpft zum Zählen und verlangte sechs Flaschen… Der Sportwart wies uns den Weg zu einer offiziellen „wilden“ Campingwiese einen Kilometer weiter, vorbei an einer Hobby-Imkerei (Verlaufen 2). Hier fanden wir an einem Bach eine geräumige Hütte und große Betonringe zum Feuermachen. Hier wurde ein Zuviel an Alkohol verschüttet.
Die Waldroute des Spessartstiegs hatten wir damit schon so gut wie abgelaufen. So konnten wir es uns leisten, Tag 2 in gemütlicherem Tempo anzugehen, eine frühe Wieseliegepause einzulegen und am Fickmühlenstein auf Gernot zu warten, der – weiteres Novum- die Karte verloren hatte. In der Liegepause hatte Gernot Mini-Klebe-Haribos verteilt, die prompt Fongys Mini-Klebe-Zahnkeramik zogen (inzwischen per Maxi-Klebe wieder im Mund). Auf freiem Feld mit Blick über die Hügel sammelte ein alter Bauer die Früchte seines Apfelbaumes ein und redete noch lange weiter, während wir uns schon entfernten. Am Ortseingang von Faulbach lud eine Edeka zu einer ausgedehnten Pause mit Fleischkässemmeln (LKW) und Kaffee (Einkehr 3). Wir gingen den Ort hinab und passierten die Bahnlinie, um den Main das zweite Mal zu überqueren. Auf der Odenwaldseite folgten wir zunächst der Landstraße nach Mondfeld, wo wir uns lange nicht auf die weitere Route einigen konnten. Schließlich tankten wir im „Weißen Rössel“ Wein und (!) Federweißen, um dann in den Hang hinauf in den Odenwald zu steigen und dort die auf der Karte verzeichneten Hütten in Augenschein zu nehmen (Verlaufen 3 bis 4). Hütte Nummer 3 belohnte uns für den Weg durch den zum Teil von Sturm und Erdrutschen verwüsteten Wald. Es war dies keine eigentliche Schutzhütte, sondern eine Station der Waldarbeiter, die hier offensichtlich die zahlreichen Hochsitze zusammen zimmerten, mit den der Wald gespickt schien.
Eine schöne Kochstelle unter dem Schuppendach und eine schöne Feuerstelle luden zu ausführlichem Schwelgen und Erzählen. Hier wurde ein Zuviel an Alkohol getrunken.
Am Morgen von Tag 4 war das Wetter umgeschlagen, es war nun kälter und gelegentlich kam es zu Schauern. Ohne Verlaufen stiegen wir zur Mainstaubrücke zurück und wanderten von Faulbach bis Stadtprozelten. Im Cafè Wolz (Einkehr 4) gab es Kuchen und Suppe und wir lauschten den örtlichen Originalen, wie sie sich in schwer zu folgendem Fränkisch zankten. Weiter ging es am Main entlang in Richtung Collenberg, doch schon bei Stadtprozelten hatte uns der kalte Regen die Lust am Weiterwandern verdorben. Während Einkehr 5 bei Hirschragout, Kürbissuppe und Heidelbeerkuchen entschieden wir uns, die Tour hier „abzuklemmen“. An diesem Abend hätten wir am Fischteich kein Feuer machen können und für Einkehr Nummer 6 hatte niemand mehr Appetit. Also gingen wir den kurzen Weg bis zum Bahnhof Dorfprozelten und bestiegen nach einem fixem Abschiedsfoto Züge in unterschiedliche Himmelsrichtungen.
Bei besserem Wetter wäre ein weiterer Tag schön gewesen. Die Spessarttour liefert sicher gute Argumente, auch weiterhin neue Gebiete auszuprobieren. Nächstes Jahr steht aber ja schon der Schluchtenweg im Schwarzwald auf der Warteliste…