Tagebuch 2020

Tourentagebuch Rover-Tour 2020 im Hunsrück

 16.-19. Oktober 2019 (Fr-Mo)

Tag 1 Treffen in Gemünden

Die Rovertour fand in diesem Jahr ungewöhnlich spät, um zwei angeschlagenen Mitgliedern (Knie & Magen) Zeit zur Erholung zu geben und Ausreden zu nehmen. Ursprünglich waren wie in jedem Jahr die Vogesen favorisiert, wegen der Corona-Auflagen in Frankreich entschieden wir uns auf Vorschlag von Gernot kurzfristig für den Hunsrück, der noch dazu altherrentauglicher ist. Das bedeutet für fast alle eine kürzere Anreise per Auto, allein Harald benötigte auf Grund der komplizierten Bahnanbindung nach Bad Kreuznach oder Bingen oder Simmern ganze acht Stunden. Mit dem Flugzeug kam diesmal niemand.
Praktischerweise gibt es in Gemünden einen Wanderparkplatz direkt am Simmerbach, wo wir unsere Autos parkten. Der Ort verfügt außerdem über ein Schloß mit Doppelturm und eine Konditorei für einen zünftigen Tourbeginn mit ausreichend Abstand von anderen Gästen. Hier kam es zum Verlust der ersten Flasche Weißwein. Steffies an eine Bank gelehnter Außengestellrucksack kippte um, erst bei Verlassen der Konditorei fiel auf, dass da etwas rausplätscherte. Die Gemeinde Gemünden hat für alle Fälle extra einen Springbrunnen vor die Konditorei gebaut.

Auf der Suche nach einer auf der Karten eingezeichneten Hütte folgten wir einem geologischen Lehrpfad nach Gehlweiler. Dort gab es zwar keine Hütte, aber wir lernten, dass viele Hunsrücker nach Brasilien ausgewandert sind und die Nachfahren einen Film über Gehlweiler gedreht haben, oder umgekehrt. Außerdem lernten wir noch, dass es im Gasthaus „Zur Grünen Au“ Schnitzel, Heimatteller und Bier gab. Selbst ein wenig unsicher wegen der Corona-Abstände, wunderten wir uns über eine dicht zusammensitzende Gruppe an einem langen Tisch. Hier konnte das Virus schnell mal die Runde machen. Wir trösteten uns damit, dass sicher in letzter Zeit keiner Kontakt nach Brasilien oder anderer Außenwelt hatte.

Im Nieselregen und im Dunkeln machten wir uns erneut auf die Suche nach der vermaledeiten Hütte. Weil sie an keiner der angepeilten Kreuzungen stand, schlugen wir die beiden Zelte schließlich dicht beieinander neben einem Sendemast auf. Das war morgens schön trocken, allerdings hörte man das laute Schnarchen der Nachbarschaft noch näher als sonst.

Tag 2 Vom Sendemast zum Waldcamp

Gernot hatte auf der Karte einen Rundkurs Richtung Rhein gelb markiert. Der fröhliche Start in den sonnigen Morgen wurde nach einer halben Stunde für eine ausführliche Orientierungsdiskussion mit mehrfach hin und herwogendem Richtungswechsel unterbrochen. Neben Vogelhäuschen, Kompaß, Schweizer Messer und topografischer Karte haben sich bei verbessertem Empfang inzwischen diverse Navigations-Apps etabliert (Garmin GPS fehlte diesmal), so dass nun noch mehr Informationen zur Verwirrung und kompetenter Ausdehnung der Diskussion beitragen. Im Ergebnis bogen wir von der gelben Route ab, den Hang hinab Richtung Königsau, dann über Henau (Laufenten, Tipps vom Mopedburschen, Neues von der Handwerksmesse) zur Burgruine Koppenstein. Von solchen Ruinen mit Aussichtsturm (1) scheint es im Hunsrück einige zu geben. Man hat einen schönen Ausblick über die Hügellandschaft, deren sanfte Hänge tatsächlich auch für ältere Herren bezwingbar sind. Auf dem Turm trafen wir eine fröhliche Truppe junger Wanderer, die laut Försterauskunft zum neuesten Trend gehört: Die Generation X liebt die Natur und wandert wieder, auch mal wild.

Nach dem Abstieg vom Turm kam die große Stunde von Generation Baby-Boomer-Bortmann: Durch die Gleitsichtbrille erspähte er auf der Karten-App ein Waldcamp, zu dem wir uns quer durch den Wald durchschlugen. Endlich hatten wir mal ein angepeiltes Ziel auch erreicht, auch wenn es nicht auf der Karte eingezeichnet war. Das Camp bestand aus einer großen Feuerstelle mit einem großen Vorrat Holz und Mineralwasser (!), einem Plumpsklo mit einem Vorrat feinem Rinde(r)mulch sowie nummerierten planen Zeltplätzen, ausgestreut mit grobem Rindenmulch und großzügigem Schnarchabstand.

Harald und Gernot kehrten bald erfolgreich von der Getränkemission zurück und wir machten uns an die Zubereitung des ersten und einzigen selbstgekochten Abendessens. Hier stellte sich heraus, dass nicht jeder die zugegeben unübersichtliche Proviantliste genau gelesen hatte. Erstmals in der beinahe 40jährigen Rovergeschichte hatten wir keine Nudeln dabei. Die Linsensuppe war dann etwas wässrig, aber trotz des vor zwei Jahren überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums noch gut genießbar. Danach grillten wir wie immer einige Würstchen, doch hatte keiner so richtig Appetit darauf und sie fanden kaum Zuspruch, auch weil ein Profi-Propeller-Griller diesmal verzichtete.

Tag 3 Vom Waldcamp zurück zur „Grünen Au“

Am morgendlichen Frühstücksfeuer bekamen wir Besuch: „darf ich mich vorstellen, ich bin XXX YYY, der zuständige Förster und Campbetreuer.“ In der Abhandlung „Der Förster im Wandel der Zeiten“ wäre hier ein neues Kapitel aufzuschlagen. Zu Anbeginn der Rovertouren war immer wieder ein anrückender Förster mit Hund unsere größte Sorge. Eine offene Hütte über dem Rhein hängten wir mit Ponchos ab, damit der Taschenlampenschein keine Aufmerksamkeit erregte, und doch entdeckte er uns. Später erweckten wir mehr Sympathie und Augenzwinkern, aber immer noch Tadel und Belehrung, dass wir durch Unachtsamkeit Phosphoradern (!) und damit den ganzen Wald in Brnd stecken könnten. Und hier stand uns die Verkörperung des Servicegedanken wahrhaftig im Wald gegenüber und kassierte 5 Euro für Getränke.

Erste Station war an diesem Morgen die Alte Burg, eine weitere Ruine mit wieder aufgebautem Turm (2), an dessen Stelle schon zu vorrömischer Zeit eine Aussichtspunkt gestanden haben soll. In großer Schleife wanderten wir über Sargenroth mit Bismarkturm (3), Ravengiersburg mit altem Dom zurück nach Gemünden und unseren geparkten Autos. Wieder war eine auf den Karte eingezeichnete Hütte nicht vorhanden, weshalb wir uns entschieden mit den Autos zur „Grünen Au“ zu fahren und in deren Nähe zu zelten. Die Wirtin freute sich – ganz unüblich – über unseren zweiten Besuch und wußte sogar noch zu jedem die Bestellung vom letzten Mal. Nach dem Essen fuhren wir einen Wirtschaftsweg hinauf und fanden dort die Hütte mit Aussicht über Gemünden. Gernot ging auf Nummer sicher und baute sein Zelt gleich in der Hütte auf, sehr praktisch.

Tag 4 Von der Aussichtshütte zur Hängebrücke

Harald stand nun wieder eine lange Bus- und Bahnfahrt bevor, deshalb brachten wir ihn als Erstes zum Busbahnhof nach Simmern. Steffie hatte im Netz die Geierlay-Hängebrücke als Attraktion im Hunsrück ausgemacht und die wollten wir vor dem Heimweg noch in Augenschein nehmen. Brücke und Schlucht machten auch was her, allerdings machte das Drumherum den Eindruck eines bizarren EU-Projektes. Wir hatten sie uns als Teil eines uralten Handelsweges vorgestellt, unvermittelt im Wald vor dem Wanderer auftauchend. Stattdessen touristischer Trubel, mehrere Busparkplätze rund um den Ort Mörsdorf, lange asphaltierte Zuwege vorbei an Imbißbuden und neu angepflanzten Lehrbäumchen, an beiden Brückenenden schwarz gekleidete Security-Mitarbeiter, die drohten sich auf jeden in der langen Warteschlange zu stürzen, der seine Schutzmaske nicht brav und vorschriftsgemäß aufsetzte. Die Besucher wurden abgezählt auf die Brücke gelassen, stundenweise nur in einer Richtung, mit Richtungswechsel zu jeder vollen Stunde. Wir hatten es zeitlich gut getroffen und verließen Mörsdorf so schnell wir konnten und in einiger Entfernung auf einem weiteren Parkplatz die Essensreste zu vervespern und uns gedanklich auf die Jubiläumstour in 2021 vorzubereiten.

Zum Thema Jubiläum waren wir uns zeitweilig nicht mehr ganz sicher. Wann war noch mal die erste offizielle Tour gewesen? Schon 1980? Oder doch eher 1981? Es gehört zur Legende, dass sich die Nachwelt niemals sicher ist, wann sie stattgefunden hat. Die Rovertour 2020 und die fortschreitende Vergeßlichkeit war somit ein weiterer Schritt auf dem Weg der Legendenbildung. Viellicht gibt es irgendwann ja mal einen Roverturm aus vorrömischer Zeit?

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